skip to Main Content

Schweizer Hagelabwehr durch sowjetische Raketen

Die grössten Verwüstungen im Rebberg kommen vom Himmel

Im Weinberg kennen die wachsenden Weintrauben viele Feinde: Kleintiere wie die Traubenwickler oder die Kirschessigfliege, Pilzbefälle, plötzlicher Kälteeinbruch oder Frostschäden. Die wohl grössten und verheerendsten Verwüstungen sind aber dem Hagel zu verschulden.

Hagelkörner können im Weinberg grossen Schaden anrichten.

Seit Jahrhunderten wurden deshalb unterschiedlichste mehr oder weniger wirkungsvolle Hagelschutzmethoden entwickelt und betrieben. In den letzten Jahrzehnten sind insbesondere Hagelschutznetze beliebt geworden, welche die Reben auch vor anderen Schädlingen schützen. Eine umfassendere und teurere Möglichkeit bieten Hagelflieger oder -raketen.

Hagelkanonen, Hagelflieger und Hagelraketen

In der Neuzeit ist in unterschiedlichen historischen Quellen das sogenannte Hagelschiessen dokumentiert. Mit Gewehren oder gar Kanonen wurde in die Wolken geschossen, um sie mit dem verursachten Lärm zu vertreiben. Diese wirkungslosen Vorgehensweisen wurden im 20. Jahrhundert durch Schallkanonen weiterentwickelt, deren Wirkung bis heute umstritten ist.

Eine wirkungsvollere, aber umfangreichere Methode erlaubte die technologische Entwicklung im 20. Jahrhundert. Hagelflieger und Hagelraketen wurden kontruiert, die Silberiodid-Aceton-Gemisch in Hagelwolken vertreuen. Damit sollen kleinste Kondensationskerne erzeugt werden, die zu einer gezielten Regen- oder Hagelbildung führen soll. Ziel ist das Abschwächen oder gar die Unterbinden von Hagelunwettern. Insbesondere die Bildung von zu grossen Hagelkörner wird verhindert.

Eine moderne Variante der Hagelkanone.

Die sowjetische Oblako-Rakete im Napfgebiet

Ein besonders eindrucksvoller Versuch der Hagelbekämpfung wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren im Schweizer Napfgebiet unternommen. Inmitten des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion konnte sich die ETH Zürich im Auftrag des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (heute das Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung) sowjetische Oblako-Raketen beschaffen.

Dieser Raketentyp wurde in der UdSSR seit 1964 als Hagelschutzrakete betrieben. Anders als die in der Schweiz entwickelten Raketen fiel die Oblako-Rakete durch ihre Dimensionen auf: über zwei Meter lang und rund 30 Kilogramm schwer. Dadurch konnte der sowjetische Riese Höhen bis zu 6000 Meter erreichen.

Während die Abschussrampen sich in Eschenbach, Neuenkirch, Wolhusen, Romoos und Trubschachen befanden, wurden die Entwicklungen der Hagelwolken von Emmen aus mit Radargeräten beobachtet. Mit geneigtem Werfer wurde die Rakete in die Hagelwolke geschossen, wo das Reaktionsmittel (vor allem Silberjodid) versprüht wurde. Per Fallschirm kehrte sie dann zur Erde zurück.

Der US-amerikanische Präsident Jimmy Carter und der Sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew unterzeichnen 1979 in Wien die Waffeneinschränkungs-Verträge SALT II.

Erfolglose Versuche und glückliche Finder

Die zwischen 1977 und 1982 erfolgten Versuche durch das Institut für Atomsphärenphysik der ETH Zürich im Napfgebiet mit der Oblako-Rakete konnten die erhoffte Reduktion von 70% bis 90% des Hagels nicht erreichen. Trotz ihrem Namen (Oblako/облако heisst auf Russisch Wolke) schoss die sowjetische Rakete oft über die Wolken hinaus. Auch liess sie sich durch ihre Grösse nur schwer steuern.

Letztlich profitierten vom Unternehmen wohl nur die Glücklichen, die eine der abgeschossenen Raketen mit grossem Fallschirm niedergehen sahen. Auf die Angabe des Landeortes konnte bei der nächstgelegenen Gemeindekanzlei ein Finderlohn von 50 Schweizer Franken abgeholt werden.

Back To Top