Die Bordeaux-Klassifizierung von 1855

Die berühmten Châteaux der Bordeaux-Klassifizierung von 1855 haben es den politischen Umwälzungen der 1850er-Jahren zu verdanken, dass sie bis heute in einer der langlebigsten Listen der Weltgeschichte stehen. Napoleon III. wollte die delikaten Weine aus Bordeaux anlässlich der Weltausstellung in Paris von 1855 seinen Besucher schmackhaft machen. 

Napoleon III. ergreift die Macht

Auf einem Hügel oberhalb des Bodensees, gleich gegenüber der Insel Reichenau, liegt im Kanton Thurgau das Schloss Arenenberg. Die fantastische Sicht auf den See begleitete den jungen Louis-Napoleon Bonaparte, der spätere Napoleon III., während seiner Kindheit. Hier in der Ostschweiz lebte er im Exil zusammen mit seiner Mutter Hortense de Beauharnais, Tochter der ehemaligen Kaiserin der Franzosen und Ehefrau Napoleons.

Das Schloss Arenenberg im Kanton Thurgau oberhalb des Bodensees.

Zurück im republikanischen Frankreich organisierte Louis-Napoleon im Dezember 1951 einen Staatsstreich und liess sich ein Jahr später unter dem Namen Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen ausrufen. Das autoritäre Empire führte nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen in Europa, sondern modernisierte die landesweite Infrastruktur nachhaltig. So ist das Stadtbild von Paris wie wir es heute kennen wesentlich auf die radikale Umgestaltung der Hauptstadt in den 1850er- und 1860er-Jahren zurückzuführen.

Die Weltausstellung in Paris von 1855

Einen städtebaulichen Einfluss hatte auch die Weltausstellung in Paris von 1855 – die erste Weltausstellung in Frankreich, auf die weitere folgen werden wie diejenige von 1889, für die der Eiffelturm gebaut wurde. Per kaiserlichem Dekret beschloss Napoleon III. die Organisation dieses Grossereignisses, das seine Machtposition und Frankreichs Aussenposition stärken sollte.

Die Idee eines internationalen Wetteiferns in Handel, Industrie und den Künsten wurde erstmals an der Great Exhibition von 1851 in London verwirklicht. Um diese zu übertreffen beauftragte Napoleon III. nicht nur den Bau architektonischer Juwelen wie der Industriepalast, der zwischen Mai und Oktober 1855 über 5 Millionen Besucher anziehen sollte. Als Vorbereitung für die Ausstellung ordnete er eine vollständige Klassifikation der Weingüter an, die qualitativ-hochwertige Bordeauxweine produzierten – die Bordeaux-Klassifizierung.

Eröffnung der Weltausstellung von 1855 durch Napoleon III im Palais de l’Industrie.

Die Bordeaux-Klassifizierung von 1855

Die Handelskammer von Bordeaux wurde für diese Aufgabe bestimmt. Da sie keine Entscheidungsmacht über den Weinbau des rechten Ufers der Dordogne hatte, konzentrierte sie sich nur auf die Weine des linken Ufers. Unfähig sich auf ein Bewertungssystem zu einigen, wurde die Aufgabe an die Vereinigung der Weinmakler von Bordeaux delegiert, die innerhalb kürzester Zeit eine Klassifizierung erstellte.

Um eine möglichst aussagekräftige Klassifikation herzustellen, entschied die Vereinigung primär die Verkaufspreise der letzten 100 Jahre in Betracht zu ziehen. Je höher die Preise lagen, desto besser schnitt der besagte Wein ab. Daneben fielen auch die Reputation der Domaine, der Besitzstand sowie andere Kriterien ins Gewicht.

Kurz vor der Eröffnung der Weltausstellung wurde die Bordeaux-Klassifizierung der Grand Cru Classé am 18. April 1855 veröffentlicht. Sie bestand aus einer Rotwein- und einer Weissweinliste. In der Rotweinliste wurden ursprünglich 57 Châteaux (heute 61) aus dem Médoc klassifiziert und in 5 Klassen eingeordnet. Das Médoc ist das linke Ufer der Gironde, das Weinanbaugebiete wie Pauillac oder Margaux einschliesst. In der Weissweinliste wurden ursprünglich 21 (heute 27) Domaine aus dem Weinanbaugebiet Sauternes klassifiziert.

Illustration der Weinregion Bordeaux aus dem Jahre 1869.

Das Erbe der Klassifizierung von 1855

Die ursprüngliche Bordeaux-Klassifizierung von 1855 ist bis heute in ihrer ursprünglichen Form gültig. Sie wurde lediglich einmal geändert, als das berühmte Château Mouton-Rothschild 1973 vom deuxième zum premier Cru aufstieg. Dafür musste niemand geringeres als der damalige Wirtschaftsminister Jacques Chirac das Dekret unterzeichnen. 

Wird ein Château im Médoc als Grand Cru Classé bezeichnet, so handelt es sich um eines der 88 klassifizierten Weingüter der Rot- oder Weissweinliste von 1855. Allerdings wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten neue Klassifizierungen erstellt, wie diejenige von 1954, welche die Weine aus Saint-Emilion klassifiziert.

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